„Entdecke Design – Entdecke Bauhaus“: Interview mit dem Designer Dirk von Manteuffel

Die erste Etappe der Roadshow „Entdecke Design - Entdecke Bauhaus“ in den USA ist erfolgreich abgeschlossen. Ihre wichtigsten Eindrücke?
Überwältigend und unglaublich kompakt: Tag für Tag eine neue Stadt, Workshops für Elementary, Middle und High Schools, Colleges oder in Museen und Bibliotheken. Unser jüngster Gast war sechs Jahre, der älteste über achtzig Jahre alt. Die Neugierde, meist spontane Begeisterung, aber auch private Gespräche berühren, wir haben „Wunderbar together“ mit Leben erfüllt. Ich war kein Tourist, sondern Teil ihres Alltags. Dabei entsteht ein anderes Bild von den Menschen. Unsere Einstellung zum Partnerland USA verdient Differenzierung, weil die Nation so unglaublich vielfältig ist, an Kulturen, Völkern, Staaten und Entwicklungen. Auch hierzulande wird mehr Wissen gebraucht, damit wir nicht in Stereotypen denken.

Die Workshoptour hat über 1.500 Menschen in elf Staaten erreicht. Sicher fällt ein Vergleich nicht leicht. Dennoch, können Sie ein paar Anhaltspunkte geben?
Ich reiste vom Mittleren Westen an die Ostküste und bis tief in den Süden nach Texas, erlebte den Ballungsraum Chicago mit seiner modernen Architektur natürlich anders als Washington oder Boston, deren Stadtbilder eher historisch gewachsen sind. Ein ganz anderer Spirit wiederum prägt die Urbanität von Houston, schon bedingt durch die heißere Klimazone, aber auch als Industriestandort für Raumfahrt und Öl bzw. Petrochemie. Unser ländlichstes Einsatzgebiet war Peterborough in New Hampshire. Dort leben nur rund 30.000 Menschen, fast ohne Migrationsanteil. An einem College in Texas treffen täglich 5.500 Jugendliche verschiedenster Ethnien aufeinander. Da lernt es sich an der Peterborough Convai High School mit 800 Schülern vergleichsweise homogen - und sehr behütet.

Zum Bauhaus-Bild in den USA. In Deutschland gehört das Bauhaus mehr oder weniger zum Allgemeinwissen. Ihr Vergleich nach den Begegnungen vor Ort?
Hier in Deutschland verbindet man mit dem Bauhaus vielleicht zuerst die modernen Designklassiker oder bekannte Protagonisten wie Walter Gropius, Marcel Breuer, Mies van der Rohe. Zum Wissen über die Bewegung selbst, ihren revolutionären Ansätzen auch für eine gesellschaftliche Erneuerung, herrscht in beiden Ländern Nachholbedarf. Wie zu erwarten, fällt in Amerika natürlich sofort der Begriff New Bauhaus, man kennt die großen Bauten in Chicago, manche wissen um das Wirken von Gropius an der Harvard University, die zu einer der bedeutendsten Ausbildungsstätten für moderne Architektur wurde. Vorsichtig und nur im Hinblick auf unsere Workshop-Besucher geschätzt: Zehn Prozent brachten ein wie auch immer geartetes Vorwissen mit. Bei der großen Mehrheit haben wir Neuland erschlossen.

„Entdecke Design - Entdecke Bauhaus“ soll den transnationalen Dialog fördern. Kontext ist das in den USA veranstaltete Deutschlandjahr 2019. Wie haben Sie diesen Austausch erlebt?
Rund die Hälfte aller Workshops erfolgte in deutscher Sprache. Da waren Neugierde, echte Freude, mit einem Muttersprachler zu kommunizieren. Viele wollten ihr Wissen über Deutschland anbringen, Fragen zur Geschichte stellen. Dann entstehen Brücken und Empathie, etwa bei Bildern aus den frühen Zwanzigern in Deutschland, die ich auch zeige. Da wird sofort verglichen mit der „Great Depression“, sofort verstanden, was der Aufbruch zu einer neuen Gesellschaft bedeuten, wem Serienproduktion nutzen sollte. Daneben existiert ein ziemlich buntes, eher folkloristisches „German Heritage“, geprägt durch Einwanderer oder Rückkehrer aus Besatzungszeiten. Aber es gab auch den Jungen, der sich die Kippa im Unterricht aufsetzte. All diese Bilder bleiben.

Ist Design im Unterricht verankert, vielleicht sogar gleichberechtigt mit anderen Fächern? Im Heimatland von Charles und Ray Eames, Raymund Loewy oder Steve Jobs ließe sich das vermuten.
Natürlich kann ich das nur im Ausschnitt betrachten. Wenn überhaupt, wird Design im Kunstunterricht vermittelt, eigene Klassen gibt es dafür kaum. Den meisten erschließt ein Designworkshop eine völlig neue Welt. Ähnlich in beiden Ländern sind auch die Reaktionen: Schülerinnen und Schüler können sehr schnell in das Thema einsteigen, weil es konkrete Bezüge zu ihren Interessen und ihrem Alltag hat. Dass und wie man selbst kreativ werden kann, dass Design auch Einfluss auf die Gestaltung unserer Umwelt nimmt, entdecken viele zum ersten Mal – und als Chance für sich selbst.

Praktisches Gestalten ist ein wesentliches Element der Workshops, vorgeschaltet ist der Wissenstransfer zu Gestaltern und Methoden am Bauhaus. Was passiert konkret?
Gestaltung am Bauhaus, die Vermittlung wichtiger Prinzipien modernen Designs wie „less is more“ oder „form follows function“ gibt den Teilnehmern ein Fundament zur Designtheorie, nicht trocken oder abstrakt, sondern sofort umsetzbar – in eigenen Entwürfen, einer Art Fingerübung im Design. Der 10-Minuten-Stuhl wird in begrenzter Zeit mit begrenzten Materialien gestaltet. Solche Challenges sind sehr willkommen, gehören zum Alltag, nur in anderen Kontexten. Gelöst werden sie zum Beispiel nach dem Prinzip Think, Pair, Share – Denken, Team bilden, Teilen. Im Workshop wird auch erlebt, dass es im Designprozess kein Scheitern gibt, eine für Amerikaner spannende Erfahrung. Selbst wenn ein Modell nicht fertig wird oder gelingt. Auch dieses Ergebnis ist wertvoll für den Designprozess.

Sie hatten eine Doppelfunktion als Workshopleiter und Gastbotschafter für Design: Wie hat Ihr Publikum darauf reagiert?
Erstaunlich offen, man spürte, die Erwartungshaltung ist grundsätzlich positiv. Dies liegt sicher auch daran, dass amerikanische Schüler oder Studenten sogenannte interactive parts im Unterricht lieben. Mit kulturellen Themen, die Bezüge zur eigenen Lebenswelt haben, erzeugt man sofort Interesse. Unsere Workshops sind ja team-orientiert, haben keinen protokollarischen Charakter, der Leiter wird als Coach gesehen. Dass ich Deutscher bin, dass hinter dem Austauschprogramm offizielle Partner wie das Goethe Institut und das Außenministerium stehen, macht es für die Teilnehmer noch bedeutender, aber nicht fremd. Kreativität macht Spaß, auch das ist eine wichtige Botschaft. Denn im Ausland sind wir immer noch bekannter für unsere Präzision und Ingenieurskunst, als für den Humor.

Eine ganz kurze Vorschau auf die Herbsttour?
Erst mal ein Kompliment an alle Mitwirkenden der Roadshow „Entdecke Design – Entdecke Bauhaus“ im Frühjahr. Im Vorfeld sorgfältig geplant und über Tausende von Meilen vernetzt, war sie dennoch ein Experiment, allein in der Logistik. Das Ergebnis hat uns mehr als belohnt, meist haben wir uns als Freunde verabschiedet. Jeder Besuch beginnt mit einem Security Check, der dauern kann. Freuen können sich meine Kollegen auf handyfreie Klassen, Mobiles werden vor dem Unterricht abgegeben. Und viel wichtiger: sie werden die Begeisterung erleben, wenn es im Designworkshop heißt „hands on“. Das steckt an, vor allem weil man erlebt, dass Wissen zum Design sofort zu praktischer Gestaltung führen kann.

Das Gespräch mit Dirk von Manteuffel führte Helga Sonntag-Kunst im Auftrag der Stiftung Deutsches Design Museum am 08. Juli 2019.